Bauernrache

Der 30jährige Krieg, der von 1618 bis 1648 wie ein Fluch mit all seinen Schrecken und Folgen über die deutschen Länder zog, war schon mehrmals Hintergrund für Ereignisse, die unseren Ort streiften oder auch direkt betrafen. Es waren die schrecklichsten Kriegsjahre, die die Königswalder Bürger damals erleiden mußten, als Kaiserliche und Schwedischen Truppen hier durchzogen und plünderten oder in der näheren Umgebung Quartier machten und von der Bevölkerung aller umliegenden Dörfer die letzten Nahrungsmittel, ihr letztes Stück Vieh und Geld erpreßte.

Doch das ist nur die eine Seite dieses schrecklichen Krieges gewesen . Die andere betrifft die Soldaten der kriegsführenden Haufen selbst. Man darf nicht denken, daß es denen besser erging als ihren Opfern aus der Zivilbevölkerung. Die meisten Soldaten der kriegführenden Heere waren ja wirklich nicht freiwillig in den Kriegsdienst eingetreten, sondern durch ihre Landesherren dazu gezwungen worden oder es war ihnen so schlecht ergangen, daß sie sich freiwillig werben ließen und den Kriegsdienst als die letzte Möglichkeit sahen, überhaupt noch ein Auskommen für ihr karges Leben zu finden. Der Druck und die Repressalien, die sie täglich durch ihre Vorgesetzten zu ertragen hatten, ist für heutige Verhältnisse unvorstellbar. Nur mit äußerster Härte, Drill und unmenschlichen Strafandrohungen waren diese riesigen Söldnerheere bei Disziplin zusammenzuhalten. Monatelang bekamen sie keinen Sold, Prügelstrafen für geringstes Ungehorsam waren an der Tagesordnung. Die Kriegskassen sind schon lange leer. Ihre Verpflegung war meist nur noch mit Plünderungen zu realisieren.

Doch dabei mußten sie immer wieder mit der Rache der einheimischen Bevölkerung rechnen, wenn sie sich in kleinen Trupps auf ihre Beutezüge usw. machten. Man hat später für die vielen Geschichten und Ereignisse der Selbstverteidigung, der Rache und Selbstjustiz den Begriff "Bauernrache" geprägt und er ist bestimmt auch der zutreffendste, wenn Bauernburschen, unerschrockene Familienväter oder kräftige Schmiede- oder Müllergesellen im Kampf Mann gegen Mann oder in Partisanenmanier sich ihrer Haut zu wehren wußten, kleine Einheiten oder einzelne Reiter überfielen, und dabei natürlich genau in der selben Art und Weise zurückschlugen, wie man ihnen selbst schon öfters mitgespielt hatte. Da war für Mitleid oder Gnade kein Platz. Es war der Kampf ums eigene Überleben. Eine dieser Geschichten kennen wir schon. Sie betrifft den Überfall kaiserlicher Truppen auf unser Dorf an jenem 21. August 1632, wo wahrscheinlich 9 Tote zu beklagen waren, etliche Häuser und unsere Kirche gebrandschatzt wurden. Auslöser dieses Überfalls war Bauernrache: am Tag zuvor hatten "mutige Jöhstädter Bürger" auf die Kaiserlichen geschossen und diesem Troß 60 Rinder ihrer Beute abgejagt. Bestimmt war diese Aktion nicht gerade unblutig verlaufen und hatte so die Rache der Söldner heraufbeschworen, die diesen Jöhstädtern gelten sollte, aber am nächsten Morgen unser Dorf traf, weil die Söldner im Morgennebel die Orientierung verloren, irrtümlich auf Königswalde stießen und in der Annahme es sei Jöhstadt, das sie bestrafen wollten, hier ihr Unheil trieben

.

Vielleicht war auch dieser Vorfall Ursache dafür, daß sich im Herbst 1632 die Bauern unserer Umgebung zusammenschlossen und einen regelrechten Partisanenkrieg gegen kleinere Truppenteile führten. Als Anführer werden von Lehmann genannt: Heinrich Eberwein, Oberförster von Crottendorf, Hans Fischer zu Wiesental und Christian Reppel, Richter zu Königswalde ! Er wird von Lehmann sogar als Bauernführer bezeichnet und er führte auch jene 100 Bauern an, die im November 1632 "am hohlen Weg zwischen Mauersberg und Mildenau" einen Beutetroß auflauerten, welcher aber gewarnt wurde und einen anderen Weg nach Annaberg nahm ...Von einem zweiten Fall von Bauernrache, der Königswalde betrifft, berichtet die Sage von der Pügner-Mühle:

Martin Dittrich schreibt darüber folgendes:

"In der damaligen Zeit soll auch, wie die Sage erzählt, ein einzelner feindlicher Reiter nach hier gekommen sein, und in der heutigen Pügner-Mühle habe er vom damaligen Besitzer Geld und Wertsachen erpreßt. Auf dem großen Stein, der heute noch links von der Eingangstür liegt, habe der Müller ihm sein Schwert entrissen und den Schädel gespalten."

Auch Räuber und herumziehende Banden machten sich über einzelne Söldner oder kleine Haufen her, die vielleicht vom Plündern noch einen Taler in der Tasche haben konnten. Von einem solchen Fall berichtet Lehmann in seiner Kriegschronik: "...man kannte keine Gnade, wenn es vorkam, daß ein exekutierender Schwede selbst dabei (beim Plündern) umkam. So fehlte wenig, daß das ganze Amt Wolkenstein von dem Obristen Höcking, der in Annaberg auf Vorwache lag, niedergemacht worden wäre, weil dessen Vetter unterwegs von einer Rotte loser Burschen erschlagen worden war. Das Vorwerk und die Schäferei zu Geringswalde sowie der Försterhof zu Hilmersdorf, die Heintzebank genannt, waren bereits in Asche gelegt, da ergriff man einen der harmlosesten Burschen, der nur das Pferd des Ermordeten gehalten hatte, prügelte ihn solange, bis er 21 Taler und all seine Mobilien, die er im Felde versteckt hatte, herausgab und lieferte ihn an den erzürnten Obristen ab. Dieser ließ ihn am 25. März (1639) vor den Toren Annabergs vom Henker enthaupten und seinen Kopf aufs Rad legen ...

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im Februar 2004

 

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