Förster Freudenthaler

(nach einer Erzählung von Karl Walter Schmidl/Weipert

 

um 1910 hieß der Gasthof "Berghof" noch "Weisser Hirsch"


Ein stiller Herbsttag war zur Neige gegangen. Es war schon duster und auf den Kartoffeläckern schwelten noch die Feuer und verbreiteten den Geruch des glimmenden Krautes. Kunz, der Wirt des "Weißen Hirsch" oben an der Grenze, nahm die Petroleum-Lampe von der Decke, putzte den Docht zurecht und goß neues Öl in „de Pomb“. Dann brannte er endlich den Docht an und das spärliche Licht erhellte die Schankstube. Jetzt erst konnte man die am Stammtisch sitzenden Gäste, die sich unterdessen kaum unterhalten hatten, erkennen. Da saß der knochige Breitfeld neben dem Hans-Karl, daneben der Schneidernaz-Wenzl und der alte Förster Wendler.

Plötzlich krachten unweit des „Weißen Hirschen“ zwei Schüsse. Alle horchten auf. „Ach was“, meinte der Förster, „wird halt ein Grenzer auf einen Pascher geschossen haben. Das ist ja nichts neues.“
Den Schüssen weiter keine Beachtung schenkend, setzten die Gäste ihr Gespräche fort.

Nach einer ganzen Weile öffnet sich leise die Gaststubentür und herein tritt, aschfahl im Gesicht, das Gewehr auf der Schulter, der Weiperter Förster Freudenthaler. Erschrocken musterten die Anwesenden den sonst so resoluten Mann, der heute einem Schatten glich und sich wortlos auf den Stuhl sinken ließ, den ihm der Wirt hingeschobenen hatte.
„Was ist ihnen denn passiert?“ fragt Breitfeld besorgt. Keine Antwort. Wie geistesabwesend starrt Freudenthaler vor sich hin.

Endlich, nach langem Zureden, hebt der Förster mühsam zum Sprechen an: „Als ich vorhin heimwärts durch die Pleiler Heide ging, stand plötzlich ein ganzer Haufen Schweden vor mir, alle ohne Köpfe, und hielten ihre Musketen auf mich gerichtet.“ Er machte eine Pause. Totenstille war in der Gaststube. „Ein Schreck ohnegleichen durchfuhr meinen Körper. Doch rasch faßte ich mich und drückte meine Doppelflinte auf die Schweden ab. So plötzlich wie sie aufgetaucht, waren sie wieder verschwunden !“

Als Freudenthaler diese kurzen Sätze beendet hatte, verfiel er wieder in sein starres Schweigen. Auch die anderen trauten sich kaum was zu sagen. Später ging er heim in sein nur wenige Schritte vom „Weißen Hirsch“ gelegenes Forsthaus und legte sich zu Bett, das er als Lebender nicht mehr verlassen würde. Einige Wochen später starb Förster Freudenthaler, wohl an den Folgen dieses schrecklichen Erlebnisses in der "Pleilhad".

 


Diese Geschichte soll sich vor dem 1. Weltkrieg zugetragen haben. Förster Freudenthaler stammte eigentlich aus der Steiermark (Österreich-Graz) und hatte dort im Dienst einen Wilderer erschossen, dem eine große Zahl Kinder nachtrauerte. Um ihn vor Rache und Verfolgung zu schützen, wurde er hierher ins böhmische Erzgebirge versetzt, das damals noch zu Österreich-Ungarn gehörte. Das Gewissen mag Freudenthaler die Jahre hindurch schwer bedrückt haben, ansonsten hätte ihm dieser Spuk in der Pleiler Heide nicht in eine derartige Verfassung bringen können. Das Forsthaus des Weiperter Reviers stand direkt gegenüber vom „Weißen Hirsch“ auf der böhmischen Seite, nur 30m hinter der Grenze. Es wurde, wie viele andere Gebäude in Grenznähe, nach 1945 abgerissen. Der Gasthof „Weißer Hirsch“ an der Straße zwischen Jöhstadt und Kühberg, direkt an der böhmischen Grenze, existiert schon über 300 Jahre. 1939 übernahm die Fam. Bohring den Landgasthof, der dann nach Plänen des heimatverbundenen Architekten Paul Beckert aus Lichtenstein seine rustikal-erzgebirgische Einrichtung und den Namen „Berghof“ erhielt.
Der historische Hintergrund liegt im 30jährigen Krieg. Am 18. März 1641 sollen in den damals bodenlosen Sümpfen des Hochmoors bei Schmiedeberg (heute Kovarska), in der danach benannten Totenheide, 850 Soldaten einer starken Vorhut des schwedischen Generals Baner im Moor versunken sein. So auch im Moor der Pleiler Heide. Die Schweden mussten sich nach der Schlacht bei Mies (heute Stríbro, 30 km westl. von Plzen) fluchtartig über den Preßnitzer Paß nach Sachsen zurückziehen, wobei sie nachts in dieses Hochmoor gerieten. Beim Torfstechen in der Pleiler Heide fand man wiederholt Hufeisen, Messer und dergleichen, die von den Schweden herrühren sollen. Heute erinnert noch ein Gedenkstein hinter dem Schmiedeberger Bahnhof an dieses Ereignis.

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im Febr. 2006

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