Flugplatz Morgensonne

Am 2. Juli 1900 hob der Prototyp des lenkbaren Luftschiff des Grafen Zeppelin, das 125 m lange LZ 1, am Bodensee erfolgreich von der Erde ab. Mit dieser bahnbrechenden Erfindung und dem Bau von Luftschiffen nahm auch in breiten Kreisen der Bevölkerung das Interesse für alle Varianten der Fliegerei enorm zu.

Und so wurde bereits im gleichen Jahr ein "Verein für Luftfahrt und Flugwesen" in Annaberg gegründet. Mit Ballonstarts, Flugvorführungen und Luftschifflandungen sollte das Flugwesen allen Menschen näher gebracht werden. Anfangs fanden die öffentlichen Veranstaltungen dieses Vereins, die sogenannten Flugtage, auf dem jetzigen Kätplatz statt. Man begann mit dem Start von unbemannten Ballons und Modellvorführungen. Aber bald schon suchte sich der Verein ein besser geeignetes Gelände. So entstand um 1905 "die Flugwiese an der Morgensonne", der erste Annaberger Flugplatz, südlich vom Gasthof Morgensonne auf Cunersdorfer Flur.

Die Bedingungen waren gegenüber dem Kätplatz unvergleichlich besser und nun konnten auch kleine Flugzeuge starten und landen. Bereits 1905 bis 1909 fanden die ersten bemannten Ballonflüge hier statt. Ein erster Höhepunkt für das Flugwesen im oberen Erzgebirge war die Landung des Luftschiffes "Sachsen" in Annaberg am 19.10.1913, also fast genau vor 90 Jahren !!!

Ab 1911 bis Mitte der 30iger Jahre wurden auf dem Flugplatz an der Morgensonne jährlich "Flugtage" durchgeführt. Das waren richtige Volksfeste. Immer mehr Schaulustige kamen nun zu diesen Veranstaltungen. Sonderbusse wurden eingesetzt und brachten Tausende Zuschauer heran.

Zum "Obererzgebirgischen Herbstflugtag" am 16. Oktober 1927 (Bild) waren es 20.000 Besucher ! Fünf Flugzeuge zeigten Schau- und Kunstflüge, "die flugtechnisch nicht zu überbieten waren", schrieb das Annaberger Wochenblatt, auch Ballonflüge und das Mitfliegen in Motorflugzeugen wurden angeboten.

Dr Löbelschuster-Willy soll bei solch einem Flugtag auch einmal mitgeflogen sein. Er kommentierte hinterher seine "Flugerfahrungen" wohl so, daß er gleich beim Start vor Angst in die Hosen "geschi..." hätte und ihm beim Looping das ganze noch bis nauf zum Hals gerutscht sei...

Selbst der legendäre Pilot Ernst Udet aus dem Jagdgeschwader Manfred von Richthofen zeiget hier seine gewagte Luftakrobatik.

Durch die Bemühungen dieses Annaberger Flugvereins kamen auch die Flüge des Luftschiffes "Parseval" am 19.08.1929 über das Obererzgebirge zustande. Diese lenkbaren Ballonetluftschiffe unstarrer Bauart des Konstrukteurs August von Parseval zeichneten sich dadurch aus, daß sie und durch die relativ einfache Bauweise innerhalb weniger Stunden zusammengelegt und transportiert werden konnten, aber ebenso für den Einsatz von Dauerfahrten gut geeignet waren.

Bei der am 5.+6.Oktober 1929 durchgeführten Flugveranstaltung, die "dem besseren Verständnis der technischen Flugeinrichtungen" gewidmet war, glitt ein Eindecker der Flugschule aus 20 m Höhe seitlich ab und wurde beim Aufschlag schwer beschädigt, so daß er demontiert werden mußte. Der Pilot und Zuschauer kamen mit einem Schrecken davon.

Am 07.September 1930 überflog dann das berühmte Luftschiff "Graf Zeppelin" (LZ 127) die Stadt Annaberg. Man konnte "die silberne Riesenzigarre" im niedrigen Flug über Annaberg gut beobachten. Daß sie auch hier landete, unmittelbar in Stadtnähe, auf einer Wiese zwischen Oberer Bahnhof und Geyersdorfer Straße, war eigentlich gar nicht vorgesehen gewesen und natürlich die Sensation !

Nach dem 2. Weltkrieg war es vorbei mit den Flugtagen. Nur noch russische Militärflieger landeten gelegentlich auf dem "Flugplatz an der Morgensonne". Mit ihren Doppeldeckern brachten sie Zeitungen und Flugblätter aus Berlin.

Die letzten Starts und Landungen erlebte die Cunersdorfer Flugwiese in den 70er und 80er Jahren. Die Agrarflieger hatten hier ihren Flugplatz und starteten, beladen mit Dünger, Schädlingsbekämpfungsmitteln oder Kalk. In dieser Zeit war er auch noch als "Notlandeplatz" ausgewiesen, durfte nicht umgeackert und mußte immer kurz gemäht werden.

 

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im November 2003

 

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