De Innernächt, geheimnisvolle Zeit !

Auch wenn weit über 1000 Jahre vergangen sind, seit unsere Vorfahren zum Christentum bekehrt wurden, hält sich vorchristliches Brauchtum und germanischer Volksglaube bis in heutige Zeit, besonders wohl im Erzgebirge und in anderen abgeschiedenen Gebirgsgegenden. Sowieso sollen Sachsen und Franken die letzten Landstriche gewesen sein, die damals missioniert wurden.

Viele alte Bräuche, die oft einfach mit Aberglauben abgetan werden, haben ihre Wurzeln im germanischen Brauchtum. Heute ist vieles vermischt und die ursprüngliche Bedeutung meist verloren. Dazu kommt noch, dass man schon im 9. Jahrhundert begann, durch päpstliche Verordnung christliche Feiertagen auf germanische Festtage zu legen, um so die alten heidnischen Gebräuche zu verdrängen, hoffte man. Doch es gelang wohl nur schlecht: und so schmücken wir weiter zu Ostern alles mit bunt bemalten Eiern und Osterhasen, stellen zu Pfingsten frisches Maiengrün ins Haus, und Weihnachten ohne viel viel Licht und Räucherduft, wie einst zur Wintersonnenwende die alten Germanen ihre Hütten ausräucherten, nicht vorstellbar, schon gar nicht im Erzgebirge! Zur Walpurgisnacht treffen wir uns gerne am Hexenfeuer und neuerdings sollen wir ja auch noch Kürbisse aushölern ...

Und dann sind da noch die Innernächte, die Rauhnächte, ja die haben’s wirklich insich.
Es sind die 12 Nächte zwischen Heiligohmd und Huchneigahr-Heiligohmd, die letzten Nächte im alten, die ersten Nächte im neuen Jahr. Da soll so manches geheimnisvolle passieren, in dieser finstersten Jahreszeit, der Zeit der langen Nächte.

Viel vorchristliches uraltes Brauchtum rankt sich um diese Innernächte, die nach germanischer Mythologie „zwischen den Jahren liegen“, in denen Altvater Odin durch die Lüfte braust. Auch seine Frau Freya, zieht in der Dämmerstunde im Dorf als eine in weißes Linnen gehüllte Gestalt umher, die fleißige Spinnerinnen belohnt, die faulen aber bestraft. Man kennt sie auch als Berchta oder Hulda, im Märchen als Schnee erzeugende Frau Holle.

Wohl am meisten verbreitet ist der Gedanke, daß diese 12 Nächte das Wetter der kommenden 12 Monate anzeigen, wobei jede Nacht für einen Monat des kommenden Jahres steht. Auch bei uns wurde (und wird) das Wetter in dieser Zeit aufgeschrieben und eine Wetterprognose für das kommende Jahr daraus abgelesen. Wer nicht so lange Geduld hat, stellt an Heiligabend, in der ersten Innernacht, 12 Zwiebelschalen auf, wobei man in jede ein kleines Häufchen Salz gibt. Am nächsten Morgen werden einige Zwiebelschalen voll mit Wasser sein, das sind dann die verregneten Monate, in denen man nicht gerade Urlaub machen sollte. In den anderen Zwiebelschalen ist das Salz noch völlig trocken, also Monate mit schönen trockenem Wetter !

Auch in unserem ur-erzgebirgischen Weihnachtslied, dem Heilig-Ohmd-Lied, wird an die Geheimnisse der Innernächte erinnert:

 

An Heilig Ohmd zr Mitternacht,
do läft statt Wasser Wei,
un wenn mr siech net färchten tät,
hult mr en Topp vull rei !

Do drüm bei unnern Wasserhaus,
do stieht a schwarzer Maa,
un war net darre Dosten hot,
dan lässt dar gar net na !

Na horcht ner mol in Ufntopp,
dos Rumpeln un dos Geign,
na, weil’s ner net noch winseln tut,
bedets ah kahne Leingn

Dosten ist wilder Majoran und schützt vor bösen Geistern.
In den Innernächten sollte man bestimmte „Verhaltensregeln“ beachten:
am besten ist es, man hat einen gesunden tiefen Schlaf mit schönen Träumen, denn nach der Überlieferung sollen die Träume der Innernächte im kommenden Jahr wahr werden.
Auch Glas und Porzellan darf nicht zu Bruch gehen und Bettwäsche sollte keinesfalls gewaschen werden, überhaupt darf in diesen Nächten, wenn Odin mit seinem Gefolge die "Wilde Jagd" durch die Lüfte reitet, keine Wäsche draußen aufhängt werden, denn die bösen Weiber in seinem Gefolge, die Druden, könnten sich drin verfangen - und das wäre gar nicht gut ... ! In dieser gefahrvollen Zeit soll man auch nicht auf den Tisch steigen oder sich mit dem Hintern drauf setzen, macht man ja auch sonst nicht !
Ganz wichtig ist es, keine Türen zuzuschlagen, sonst muß man im kommenden Jahr mit viel Blitz und Donner rechnen.
Zusätzlich muss man in der Neujahrsnacht, in der ersten halben Stunde nach Mitternacht, alle Türen und Fenster verschließen, außer der Hintertür, durch sie kommt das Glück ins Haus. Am Silvesterabend kann man auch „odinmäßig“ etwas am Gartenzaun des Nachbarn rütteln, damit im neuen Jahr dessen Hühner zum Eierlegen auf unser Grundstück kommen. Oder auch an den Obstbäumen, die tragen dann im nächsten Sommer besonders viele Früchte.
Hier noch ein nicht gerade ungefährlicher Gesundheitstip: Am Neujahrsmorgen soll man Lebkuchen in Schnaps einlegen, anzünden und dann essen, um vor Sodbrennen geschützt zu sein !!!?

Wenn die Innernächte vorbei sind kommt noch die Nacht vom 5. auf den 6. Januar, im bayrischen der "Berchtenabend". Diese Nacht wird dann mit den bekannten Maskenumzügen begangen, die Felder werden mit Weihwasser besprengt, um die Erde zum Leben zu erwecken, damit sie im kommenden Jahr fruchtbar und ertragreich ist. Diesen lärmenden Berchtenläufern setzte man schon im Mittelalter die Umzüge der Sternsinger entgegen, die mit Kreide C+M+B und die Jahreszahl über die Haustür schreiben, was aber nicht die Abkürzungen für die Namen der 3 Weisen aus dem Morgenland Caspar+Melchior+Balthasar sind, wie man annehmen könnte, weil es der Heiligabend vorm Dreikönigstag ist. Es ist vielmehr die Abkürzung für „Christus mansionem benedicat“, auf Lateinisch „Christus segne dieses Haus“.

Wer noch etwas über den eigene Lebenswandel im kommenden Jahr wissen möchte, der muss unbedingt Bleigießen. Am besten am Neujahrs-Heiligabend, zu Silvester. Etwas Übung gehört natürlich schon dazu, die dabei entstehenden kunstvollen Gebilde zu deuten, aber man hat ja auch mehrere Versuche und kann sich gegenseitig inspirieren. Voraussetzung ist natürlich, daß das Blei in einem geerbten Löffel geschmolzen, durch den Ring eines Erbschlüssels ins Wasser gegossen wird ! Besonders vorsichtig sollte man mit Deutungen auf Familiennachwuchs sein: Man(n) hat nur noch 3 Monate Zeit für die termingerechte Realisierung ...

 

Heit is dr Heilge Ohmd ihr Mäd,
kummt rei mir gießn Blei,
Rick laaf geschwind zr Hannechrist,
die muß beizeiten rei !
  Ich gieß fei erscht, wann krieg ich dä,
Satt ah, en Hammerschmied,
de Karle lacht, die dänkt wuhl gahr,
ich mahn ihrn Karle-Fried !

 

Und noch etwas: ja nicht vergessen, am Silvester genügend Raketen und Knaller abzufeuern, um die bösen Geister zu vertreiben. Bloß die alten Germanen hatten doch noch gar kein Schwarzpulver ? Vielleicht saßen sie wirklich nur an ihren Lagerfeuern und haben einfach mächtig Lärm gemacht, wenn sie ihren Met getrunken haben, auch eine schöne und noch heute beliebte Sitte !

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im Dezember 2004

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