Verkehrsgeschichte an der Morgensonne

Einer der prägnantesten verkehrstechnischen Punkte unserer unmittelbaren Umgebung ist die Straßenkreuzung an der Morgensonne.
Es war nicht immer eine Straßenkreuzung. Etwa 500 Jahre lang führte hier oben nur ein einziger Weg vorbei. Eine alte Salzstraße, ein „Böhmischer Steig“, überquerte hier an der dieser leichten Senke im Bergrücken zwischen dem Sehma- und dem Pöhlatal auf fast genau 700 m diesen Höhenzug schon vor der Besiedlung unseres Ortes. Dieser alte Handelsweg über die Morgensonne überquerte die Zwickauer Mulde bei Glauchau und führte über Lichtenstein – Zwönitz – Dörfel – Frohnau – Buchholz – Cunersdorf – Königswalde, den Ratsgerichter Weg hinauf nach Grumbach, weiter über Schmalzgrube nach Satzung und traf hier auf die von Wolkenstein kommende Verbindung nach Prag, wobei es die genannten Orte natürlich noch gar nicht gab, das „Erzgebirge“ noch mit „Ferguna“ (Bergland) oder „Miriquidi“(schwarzer/ dunkler Wald), und später als „Behaimerwald“ (Böhmischer Wald) bezeichnet wurde.

Von der Furt über die Pöhla hinauf zur Morgensonne verlief dieser Weg auch nicht so wie unsere jetzige Straße zur Morgensonne, sondern wohl eher wie die alte Cunersdorfer, bog schon früher rechts ab, verlief in dem alten Hohlweg, der hinterm "Penny" noch gut sichtbar ist, dann unterhalb und etwa 60..80m weiter nördlich als die jetzige Straße, ziemlich gerade zur Morgensonne hinauf und stieß kurz unterhalb der Bahnlinie auf die heutige Straßenführung. Im Richter-Traugott-Walle ist noch ein Stück dieses Weges erhalten (Hohlweg).

Mit Sicherheit wird unmittelbar mit der Besiedlung unserer Orte Königswalde und Cunersdorf um 1250 (oder schon vorher) "an der Morgensonne" ein Anwesen die Funktion eines Kretscham an dieser alten Fernverbindung übernommen haben, eine Ausspanne für die Fuhrleute, die den steilen Anstieg aus dem Sehmatal oder dem Pöhlatal herauf bewältigt hatten. Denn es war selbstverständlich, daß sich die Fuhrleute an den steilen Anstiegen gegenseitig mit ihren Zugtieren aushalfen, sich selbst und den Ochsen und Pferden an solchen ausgeprägten Punkten Erholung und Pause gönnten.

Erst viele Jahre später, 1723, berechtigt der Rat der Stadt Annaberg mit einer Urkunde den damaligen Besitzer, Johann Gottfried Müller, "Kretschmar und Gastung zu halten" (Bewirtung und Übernachtung) ! Genau 200 Jahre war das „Kretscham Morgensonne“ im Besitz dieser Familie Müller, 1923 übernimmt es die Familie Böttcher.

Nach dem 30jährigen Krieg, am Ende des 17. Jahrhunderts, entsteht die Fern-Verbindung Annaberg-Karlsbad und damit an der Morgensonne eine Straßenkreuzung ! Um 1704 beginnt die Zeit der Postkutschen in Sachsen. 1720 fährt die erste Postkutsche von Leipzig kommend, hier an der Morgensonne vorbei, über Oberwiesenthal nach Karlsbad.
Am 19. September 1721 verfügte der sächsische Kurfürst und König zu Polen, August der Starke, das Aufstellen der prächtigen Postmeilensäulen, wie sie heute noch in Annaberg, Jöhstadt, Wolkenstein, Marienberg usw. stehen. Unter dem kursächsischem und dem polnischen Wappen stehen seine Initialien:
AR -.Augustus Rex -, darunter die von Adam Friedrich Zürner mit einem speziell dafür gebauten Messwagen in jahrelanger Arbeit ermittelten Entfernungen in „Stunden“ ( 2 Stunden = 1 Postmeile = 9,062 km). Mit diesem „Stundentrick“ hatte es Zürner geschafft, nicht nur die genaue Entfernung zu dem jeweiligen Reiseziel anzugeben, sondern auch wie lange die Reise bis dahin ungefähr brauchte !

Auch über Königswalde fuhr eine Postkutsche nach Jöhstadt und weiter nach Pressnitz. Ihre Strecke führte damals vom Annaberger Markt – Böhmisches Tor – jetzige „Alte Postraße“ über den Oberen Marktsteig nach Königswalde. Wo heute noch die Busse halten stand unsere „Postmeilensäule“ - eine sogenannte Armensäule, ein schwarz-gelb gestrichener Holzpfahl als Kennzeichen für die Haltestelle der Postkutsche. 100 Jahre später, 1817, erfolgt auf Befehl der sächsischen Regierung der "chausseemäßige Ausbau“ der alten Fahrwege. Auch die Straße nach Karlsbad, in die unser Oberer Marktsteig einmündete, wurde befestigt und die Verbindung Annaberg-Königswalde folgt nun nicht mehr dem Oberen Marktsteig, sondern fuhr jetzt über die Karlsbader Poststraße an der "Morgensonne" vorbei hinunter nach Königswalde.

Ab 1840 hatten diese Postkutschen dann auch die Form, wie wir sie alle von alten Bilden her kennen, und waren gelb gestrichen. Bis zum 30.Mai 1892 verkehrten sie auch auf der Strecke Annaberg - Jöhstadt. Ab 1.6. 1892 war Jöhstadt mit der Eisenbahn erreichbar !
Ab dem gleichen Tag fuhr nun täglich einmal eine „Ersatz-Postkutsche“ auf dieser Strecke. Die Fahrt Annaberg nach Königswalde kostete 50 Pf., bis Jöhstadt 1 Mark (mit Rückfahrt 1,75) ! Von Annaberg bis Jöhstadt dauerte die Fahrt 2 Stunden 25 Minuten ! Wenn der Wagen voll beladen war, war es üblich, dass die Herren bergauf ausstiegen und zu Fuß nebenher gingen, während Damen und Kinder sitzen bleiben durften. So ging es bis kurz vor dem 1. Weltkrieg. 1913 eröffnete die "Erzgebirgische Kraft-Omnibus Verkehrsgesellschaft" ihre erste Omnibuslinie Annaberg–Geyer-Ehrenfriedersdorf-Chemnitz und bald fuhren die Busse der KVG auch nach Oberwiesenthal und Jöhstadt mit Halt genau an den alten Haltepunkten der ehemaligen Postkutsche, auch an der Morgensonne !!!

Am 1.August 1906 wird als eine der letzten Bahnstrecken im oberen Erzgebirge die "Obere Bahn", die Verbindung zwischen Königswalde und Annaberg, Oberer Bahnhof eröffnet. An der Morgensonne entsteht die "Ladestelle Cunersdorf" mit einem eigenem Abzweiggleis. Der Wirt der Gaststätte wird nun „Eisenbahn-Agent" und betreut mit Eisenbahnermütze ausgestattet diese Ladestelle. 1955 wird die Ladestelle Cunersdorf wieder geschlossen und das Abzweiggleis an der Morgensonne abgebaut.

An der Fernstraße nach Karlsbad wird an der Morgensonne 1926 die erste Tankstelle zwischen Annaberg und Oberwiesenthal eröffnet. Auch in Annaberg veränderte sich die Verkehrsführung dieser Fernstraße nach Karlsbad. Zuerst durch die neue Bärensteiner Straße, noch drastischer mit dem Bau der Umgehungsstraße (Übergabe 11.7.1929).

Gegenüber dem Gasthof „Morgensonne“ stand die ehemalige Zollstelle (Einnahme für Straßenzoll), wie sie auf dem Bild um 1910 gut zu sehen ist. Im Volksmund hieß sie "de Einahm". Mit dem Ausbau und Verbreiterung der F95 in den Jahren 1970/71 werden die Straßenbäume gefällt, die Pflastersteine weichen oder verschwinden unter einer Asphaltdecke und dieses nur noch als Lager genutzte baufällige Zollhaus wird im August 1970 abgerissen.

Auch der Zugverkehr auf der Oberen Bahn ist Geschichte. Vor 10 Jahren, am 30.12. 1994 verkehrte hier der letzte Güterzug ! Es sei denn, dass die Fichtelbergbahn doch noch von Cranzahl über Königswalde bis zum ehemaligen Werksanschluss der EIA verlängert wird – wie bereits im Sommer 1999 durch die BVO-angekündigt. Soweit liegen die Gleise ja jetzt noch, bis auf den Straßenübergang an der Morgensonne ...

Glück Auf !

Wolfgang Süß

September 2004
aktualisiert 09/2006

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