Schloß Stein am Kühberg

Wer sich etwas für mittelalterliche Heimatgeschichte interessiert, dem kann ich eine Wanderung hinauf nach Kühberg nur empfehlen. Hier kann man auf engsten Raum wirklich historischen Boden betreten, drei bedeutsame Zeugnisse aus der Geschichte unserer Heimat erleben: hier verlief die älteste Paßstraße über das Erzgebirge nach Böhmen, hier finden wir die Reste der ehemaligen Befestigung Schloß Stein und auch das letzte noch vorhandene Stück vom alten Annaberger Flößgraben, das zugleich auch das interessanteste ist !

Dort wo sich heute die Häuser des Ortes Kühberg an den Hang schmiegen, verlief einst der älteste Handelsweg über das Erzgebirge nach Böhmen, der SEMITA BOHEMICA (Semita = Fußsteig), der schon 1143 urkundlich belegt ist. Er führte von den Salinen bei Halle über Merseburg - Altenburg – überquerte die Mulde bei Zwickau - Hartenstein - Grünhain - Elterlein - Schlettau - Kühberg – Pressnitz – über Kaaden weiter nach Prag. Anfangs war es wohl nur ein Fuß- oder Reitweg, ein sogenannter Saumpfad, auf dem das kostbare Gut auf Lasttieren transportiert wurde. Das Salz, das in Böhmen nicht vorkommt, war das entscheidende und wichtigste Handelsgut. Es war der Grund für das Entstehen dieser mittelalterlichen Handelswege und es gab ihnen auch ihren Namen: die Salzstraßen. Man brauchte es nicht nur zum Kochen und Würzen, sein Wert begründete sich vor allem dadurch, daß es damals die einzig bekannte Möglichkeit war, Fleisch zu konservieren !

Bis heute haben diese alten Salzstraßen ihre Spuren im Gelände hinterlassen, womit man ihren Verlauf jetzt noch bestimmen kann ! Die hier beschriebene Salzstraße, die auch mit Kaadener Straße oder Pressnitzer Paß bezeichnet wird, nimmt ihren Weg von Grünhain kommend nach Elterlein über die Finkenburg und das Stockholz nach Schlettau. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein fand man auf dieser Strecke immer wieder Hufeisen und Speerspitzen. In Schlettau musste die Zschopau überquert werden. Unmittelbar an der Furt wurde zum Schutz dieser „Fernstraße“ ein Wegkastell errichtet, woraus die “Feste Slatin”, im 14./15.Jahrhundert dann das Schlettauer Schloß entstand.
Weiter führte der Weg in östlicher Richtung über Sehma, die Richterstraße herauf zum Kühberg. Genau an der „tiefsten“ Stelle, dieser leichten Senke auf dem Kamm, wurde hier der Höhenzug zwischen dem Sehma- und dem Pöhlatal überquert. Nun galt es die Räder mit Bremsklötzern, Hemmschuhen und Ketten zu blockieren, denn es musste der steile Hang hinunter zur Furt durch die Pöhla überwunden werden. Tiefe Spuren hinterließen die Räder in den vollkommen unbefestigten Wegen. Noch heute sind die Reste tiefer Hohlwege im Wald südlich von Kühberg zu finden, die wohl einst den gesamten Hang der heutigen Ortslage von Kühberg durchschnitten.

Überragt wird dieser Hang auf der südlichen Seite von einem Felssporn, der wie die Spitze eines Dreiecks in das Pöhlatal hineinragt. Heute ist das ganze Areal bewaldet und trotzdem hat man von dem Felsplateau, das später die Eisenbahnstrecke Bärenstein-Königswalde-Cranzahl oberhalb mit einem tunnelartigen Bauwerk durchstoßen hat, einen guten Überblick über den gesamten Verlauf der ehemaligen Paßtrasse am Kühberger Berg, die Furt über die Pöhla unten am ehemaligen Blechhammer und natürlich auch den gesamten gegenüberliegenden Hang hinauf. Dort ist der Verlauf der Salzstraße noch heute als ein tief eingeschnittener Hohlweg der gesamten Grenze entlang zu verfolgen. Er beginnt hinter dem Standort des ehemaligen Blechhammers bis er vor dem Forsthaus am „Berghof“ auf die jetzige Straße trifft. Nach dem Berghof bog der Weg rechts ab, weiter die Grenze hinunter nach Pleil-Sorgenthal. Dann über Pressnitz, vorbei an der Burg Hassenstein, deren imposante Ruine noch heute ihre einstige Bedeutung ahnen läßt, hinunter ins Egertal, nach Kaaden. Die exponierte Lage dieses Felssporns war hervorragen geeignet für einen „Wachposten“. Hier also befand sich die ehemals „Schloß Stein“ genannte Wehr- und Befestigungsanlage zur Kontrolle und zum Schutz des Übergangs über die Furt durch die Pöhla und am Kühberger Paß !

Über die Existenz dieser Wehranlage sind sich die Forscher einig. Begehungen, Messungen und vergleichende Betrachtungen mit der „Burg Nidberg“ bei Zöblitz berechtigen zu der Annahme, daß auf dieser Felsklippe, die wie ein Aussichtsturm aus dem Hang aufsteigt, einst ein Wachturm und auf dem 20 m oberhalb liegendem Felsplateau eine Burganlage bestanden haben. BÖNHOFF spricht von einer „Befestigung am Schloßstein, als Standort eines Wachpostens von dem auch Feuersignale gegeben werden konnten“. Wir können sie uns als eine aus Erde , Steinen und Holz errichtete Wehranlage auf dieser Felsklippe gut vorstellen, mit einem Wallgraben auf der Hangseite zusätzlich geschützt.

Wie schon berichtet, entstanden später entlang dieser alten Handelswege die ersten Ausspannen und Kretschams, besonders an solchen steilen Pässen und an den Furten über die Flüsse. Hier am Kühberg waren es der Blechhammer (Bild um 1930) und das Vorwerk Königslust oben auf der Höhe.

Doch die frühen Handelswege waren nicht nur ein Segen für die hier lebenden Menschen. In Kriegszeiten wurden die gleichen Wege natürlich auch von den Söldnerheeren genutzt, die über das Erzgebirge ziehen wollten. Pfarrer Lehmann berichtet aus der Zeit des 30jährigen Krieges in seinem „Historischen Schauplatz“: „...die Pässe wurden anno 1631 im September weit und breit verhauen, viel tausend Bäume gefället, dass sie meistens mannshoch übereinander lagen, weder Roß noch Wagen durchkonnte, und musste alles Korn, Malz und Mehl herüber getragen, geschleppt und kümmerlich durchgezogen werden...“. Am Blechhammer wurden Haus und Hof durch Pfähle verschanzt, Schießlöcher und Laufgräben angelegt. Oben auf dem Bärenstein wurde sogar ein Wachdienst eingerichtet und eine hohe Stange aufgestellt. Stürzte der Wächter sie um, wusste die Bevölkerung, daß Gefahr nahte.

Genützt haben diese Vorsichtsmaßnahmen am Pressnitzer Paß aber nur wenig. Der kaiserliche General Holk mied die Pässe und drang auf dem bequemeren Weg über Ellbogen, Neudeck und Eibenstock ins Sächsische ein, mit dem Auftrag Wallensteins ganz Sachsen auszuplündern und es für ein Bündnis mit dem Kaiser gefügig zu machen. Der Preßnitzer Pass wechselte in den Folgejahren laufend seine Belagerer, mal war er in der Hand der Kaiserlichen, mal waren es die Schweden, die hier durchzogen. Die Leidtragenden waren jedes Mal die Bewohner des Gebirges.

Auch die Erbauer des Flößgrabens mussten 1564 um diesen Felssporn im Raumberg herum. Es ist wohl die schwierigste Partie im über 11 km langen Floßgraben zwischen der Annaberg und der Pöhla oberhalb von Bärenstein gewesen. In meisterlicher Arbeit wurde hier der Graben direkt in den Felsen gehauen. Da die später (1866) dem Verlauf des Flößgrabens folgende Bahnlinie hier einen Tunnel anlegen musste, ist dieser etwa 200 m lange Teil des Flößgrabens heute noch gut erhalten. Genau unterhalb des Felssporn macht er eine fast rechtwinkelige Biegung. Wenn man genau hinschaut, kann man hier die Namen und Monogramme der Erbauer noch in den Seitenwänden sauber in den Fels gemeiselt finden !In nur 2 Jahren Bauzeit wurde der gesamte Flößgraben damals fertiggestellt. Am 6.Juni 1566 wurde das erste Mal Wasser aus der Pöhla in den neuen Kunstgraben geschlagen. Fast 300 Jahre war er dann in Betrieb. Ab 1790 lag er aber oft still, denn auch die Wälder hier oben waren aufgebraucht. 1844 wurde das letzte Mal geflößt.1884 wurde der Floßgraben verrohrt und das Quellwasser des Konduppeltales durch das 1889 erbaute Wasserwerk an der Brettmühle 120 Höhenmeter hinauf in diese Leitung gepumpt.

Übrigens gehörte unsere Nachbargemeinde Kühberg ursprünglich zur Königswalder Amtsseite, auch die „Vorwerke“ oben an der Nordseite des Bärenstein. Erst unter Kurfürst Moritz (1547-1553) wird das Röhlingsche Vorwerk vom Erbgut zum Mannlehngut erhoben und erhält die niedere Gerichtsbarkeit. Nun werden ihm die übrigen Ansiedler am Bärenstein zins- und fronpflichtig untertan und scheiden aus der Gemeinde Königswalde aus. Es entsteht das Dorf Bärenstein (1548).

Glück Auf !

Wolfgang Süß

April 2005

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