Königswalder Streichhölzer

Unmittelbar nach dem Aufkommen der Erfindung der "Zündhölzer" um 1830 setzte eine Flut von Betriebsgründungen in allen europäischen Ländern ein. Man begann in Hunderten kleinen Hausbetrieben mit der Fabrikation der neuen Erfindung. Der Vater rührte die Tunkmasse an, spaltete die Holzstäbchen und tunkte sie ein. Die Mutter mit den Kindern legten die Hölzchen zum Trocknen auf Stapelgestelle und verpackten sie danach in selbstgefaltete Papiertüten oder in Schachteln, die schon genau so aussahen, wie sie heute noch verwendet werden. Waren genügend Tüten mit Zündhölzern fertig, ging es mit der Ware über Land zum Hausieren. Auch neue Berufe entstanden in dieser Periode, der Schachtelmacher und der Holzdrahthobler.


Es dauerte nicht lange, bis die Industrialisierung auch diesen Produktionszweig erreichte und die Hausindustrie wieder verschwand. Neue Maschinen produzierten tausendmal so viele Schachteln in einer Stunde, wie die ganze Familie in einem Monat. Schon um 1840 bildeten sich die ersten Zündholzfabriken, meist in waldreichen Gegenden, in kleinen Gebäuden, die sich damals schon Fabrik nannten. Auch in Königswalde entstand eine solche „Zündholzfabrik“ ! Die Herren Kummer u. Günther gründeten 1849 zur Herstellung von Zündhölzern die "Königl. Sächs. conzess. Zündrequisiten-Fabrik v. Kummer u. Günther ". Wahrscheinlich aus großer Angst vor Brand- und Explosionsgefahr hatte man ihnen einen Standort weit außerhalb des Ortes, oben an der Jöhstädter Straße zugebilligt. Die Siedlung stand ja damals noch nicht ! In den Erzgebirgischen Heimatblättern von 1926 findet man folgende Beschreibung der Firma: "Diese Fabrik liefert Streichzündhölzer der verschiedensten Art und Packung. Sowohl mit als ohne Schwefel, Wachszündkerzchen, Zigarrenzünder, Streichschwamm und überhaupt alle Arten Zündrequisiten. Die Fabrikate finden ihren Absatz sowohl in Sachsen als Preußen, aber hauptsächlich auf überseeischem Wege nach Ost- und Westindien und nach Australien. Auf der Ausstellung zu München wurde die Vorzüglichkeit der Fabrikate dieses Etablissements durch eine auf sämtliche seiner ausgestellten Zündrequisiten erteilte Belobung anerkannt. Das Etablissement besitzt vier Einlegemaschinen neuester Konstruktion, durch welche es möglich wird, bei verhältnismäßig geringen Arbeitskräften täglich vier Millionen Hölzer zu liefern !!!

Die angegebene Größe der Belegschaft erscheint fraglich: 260 Erwachsenen und Kinder, von welchen 80 fortwährend, 180 aber zeitweise beschäftigt sind ???
Die hohe Produktion führte zu Überkapazitäten und Absatzproblemen. Schnell verringerte sich die Zahl der Zündholzfabriken wieder. Auch die Königswalder Fabrik schloss 1883. Kummer u. Günther scheinen aber ganz erfolgreich gewesen zu sein, denn schon 1864 bauen sie eine neue Fabrik, die wir als Obere Geipel-Fabrik kennen !

Nach der Stillegung der Zündholzfabrik wurde das Anwesen als Wohnhaus genutzt und Mitte der 1990iger Jahre abgerissen. Geblieben war nur noch der Spottname „Kummer-Villa”. Diese damals hergestellten Zündhölzchen waren Phosphorhölzchen. Ihre Zündmasse enthielt im wesentlichen Kaliumchlorat, Schwefel, Phosphor und Gummi arabicum. Der Anteil des weißen Phosphors ging im Laufe der Zeit wegen seiner Gefährlichkeit zurück. Er ist nicht nur wegen seiner Entzündlichkeit gefährlich, sondern auch wegen seiner Giftigkeit. Ca. 11% der Arbeiter von Zündholzfabriken, vor allem Frauen und Kinder, die Zündhölzer in Heimarbeit herstellten, litten unter "Phosphornekrose", die sich durch Knochenveränderungen äußert und in besonders schweren Fällen zum Verlust des ganzen Unterkiefers oder sogar des Oberkiefers führen kann. Ab 1872 wurde die Verwendung von weißem Phosphor in verschiedenen Staaten ganz verboten.

Sicherheitszündhölzer, bei denen die Zündmasse am Streichholz, und eine andere Substanz, die roten Phosphor enthält, getrennt angebracht sind, außen an der Schachtel, eroberten ab Mitte der 19. Jh. als Schwedenhölzer die Welt. Sie waren eine der großen Erfindungen der Menschheit, sie waren billig, einfach und schnell in der Handhabung, sicher, und konnten überall hin mitgenommen werden.

1991 schloss in Riesa die letzte Zündholzfabrik in Deutschland.

Wolfgang Süß
im August 2006

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