Tips für Anfänger (und Fortgeschrittene)

"Die Gestaltung von Laubsägepyramiden"

Der folgende Beitrag entstand unter Verwendung eines Manuskriptes des bekannten Schnitzers Manfred Nestler.
Als langjähriger Leiter der Kinderschnitzgruppe und aktives Mitglied im Schnitzverein Königswalde, später in Mildenau, leistete er bei der Gestaltung von Schnitz- und Drechselarbeiten Hervorragendes, war immer voller neuer Ideen und bleibt wohl auf seinem Lieblingsgebiet unerreicht, seinen kleinen erzählenden Szenen auf Pyramiden und Schwibbögen, ob geschnitzt oder gedrechselt, roh und bemalt.
Leider ist er am 20.4.1995 im Alter von 64 Jahren viel zu früh verstorben.

Mit 14 Jahren hatte er bei einem Unfall in einer Tischlerei seine linke Hand und Unterarm verloren. Damit war es auch mit der geplanten Tischlerlehre vorbei und er lernte den Beruf eines Dekorateurs und Gebrauchsmalers - was, im nachhinein gesehen, seiner Freizeitbeschäftigung als Schnitzer, Drechsler und Maler sehr zugute kam. Mit einer besonderen Gabe vermittelte er sein Können und Wissen an Kinder und Jugendliche. Ich hatte das Glück, zu seinen Schülern zu gehören. Er organisierte auch Lehrgänge für Erwachsene, entwickelte Lehr und Anschauungsmaterial und gestaltete Symbole und Plakate. Seine Werke haben eine unverkennbare Handschrift und als "Hammerlob-Mann" bleibt er bei seinen Schnitzfreunden unvergessen.

Obwohl er selbst keine Laubsägearbeiten anfertigen konnte, hat er sich auch ausgiebig mit dem Entwurf von Leuchtern, Schwibbögen und Pyramiden beschäftigt und viele sehr ansprechende Entwürfe und Laubsägevorlagen, hinterlassen, die sich durch eine klare Konzeption auszeichnen und sehr dekorativ sind.

Die Laubsägearbeiten waren ja durch manche schlechte Beispiele etwas in den Ruf gekommen, nahe am Kitsch zu liegen. Mit dem falschen Ehrgeiz mancher Laubsägebastler, durch besonders komplizierte und arbeitsaufwendige Arbeiten zu imponieren, wurde meist das Gegenteil erreicht: es entstanden mit verwirrenden Formen überladene protzige Bauwerke, die schon fast nicht mehr als erzgebirgische Weihnachtspyramiden zu erkennen waren.

Manfred Nestler schreibt dazu: Schönheit und Wert einer Pyramide liegen aber nicht im aufgeputzten Äußeren und in einer aufwendigen Arbeit, sondern in einer zweckmäßigen, der vorgesehenen Figurenbestückung entsprechenden, sinnvoll gestalteten Form. Deshalb sollten bei der Gestaltung von (Laubsäge)-Pyramiden einige Grundsätze beachtet werden:

1. Das ursprüngliche Anliegen der erzgebirg. Weihnachtspyramiden ist es, die Figuren auf den Tellern durch die Drehbewegung zu beleben und sie dadurch für den Betrachter in den Mittelpunkt zu rücken. Daraus wird deutlich, daß die Pyramide in erster Linie eine Funktion zu erfüllen hat, sie ist also Mittel zum Zweck. Wird die Figurenbestückung durch Überbetonen der Pyramidengestaltung zweitrangig, erhebt sich die Pyramide zum Selbstzweck und verliert ihre eigentliche Bestimmung, ihren eigentlichen Sinn und ihren Wert.

2. Pyramide und Figurenbestückung müssen immer eine harmonische Einheit bilden.

3. In der Gestaltung der erzgeb. Weihnachtspyramiden sind im wesentlichen zwei Grundformen erkennbar, die Stab- oder Säulenpyramide und die Stockwerkpyramide. Beide Formen sind auch Grundlage für die Gestaltung der Laubsägepyramiden.

4. Zuerst muß man die Grundform im richtigen Größenverhältnis zur Figurenbestückung festlegen, dann kann man an die dekorative Bereicherung der Grundform herangehen (siehe nächste Seite !).

5. Der Dekor soll zur Steigerung der Grundform dienen, darf diese aber nicht vergewaltigen und zerstören. Auf die Motivwahl hat vorrangig die Thematik der Figurenbestückung Einfluß.

Naturalistische Formen sollten nicht verwendet werden, sondern die der Natur entnommenen Motive (Bäume, Zweige, Blüten, Blätter, Zapfen usw.) müssen stilisiert, ornamental entwickelt und dann in die Grundform eingearbeitet werden. Bei einer mehrthematischen Figurenbestückung sollte ein neutrales, formales Gestaltungsmotiv verwendet werden.

6. Die Pyramide ist im wesentlichen ein architektonisches Bauwerk, dem sich der dekorative Schmuck ein- und unterordnen muß.

Wenn diese Gestaltungsregeln nicht beachtet werden, erhält man schnell ein Fehlergebnis, wie es einige bekannte Beispiele zeigen. So z.B. die Pyramide mit naturalistisch bildhafter Darstellung des Waldes und perspektivisch eingefügten Häuschen, sowie Tieren und menschlichen Gestalten. Durch die komplizierte und überladene Formen- und Motivdichte kann man die eigentliche Figurenbestückung auf den Tellern im Inneren dieser Stockwerkspyramide kaum noch erkennen.

Sehr gelungen ist dagegen die Gestaltung der bekannten "Gotischen Pyramide" (Entwurf M.N. !): Klare architektonische Formen (Spitzbogen), verstärkt durch das Motiv der gotischen Rose, geben ein einheitliches Gesamtbild und lassen viel Sicht auf die Figurenbestückung auf den Tellern.

Als weiteres gelungenes Beispiel sind die verschiedenen Pyramidenentwürfe zu nennen, die unabhängig voneinander Ende der 70iger Jahre in den Schnitzvereinen Arnsfeld und Königswalde entstanden sind, bei denen die unterschiedlichsten Schneekristallformen als Gestaltungselemente verarbeitet wurden.

Bei den Schwibbögen dominiert noch heute der sogenannte Schwarzenberger Schwibbogen von 1936 nach dem Entwurf von Frau Jordan/Berlin, die den damals ausgeschriebenen Wettbewerb mit Ihrem Entwurf gewann. Er besticht durch seine gelungene Motivzusammensetzung und die ausgewogene Platzaufteilung.

Gerade diese ausgewogene Platzaufteilung und die Stilisierung der Motive sind wohl die Hauptkriterien für den Entwurf eines guten Schwibbogens.

 

Wie man an einen Entwurf einer Pyramide herangeht, zeigen die nachfolgenden Skizzen:

Viel Spaß beim Basteln und Entwerfen !

Wolfgang Süß

 

 

Gestaltungsbeispiel:

 

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